Von allen essentiellen Mineralstoffen im menschlichen Körper nimmt Calcium mengenmäßig die erste Stelle ein (1-1,2 kg bei Erwachsenen). Etwa 1-2 % unseres Körpergewichts bestehen aus Calcium, davon sind 99 % in den Knochen und Zähnen und 1 % in den Körperflüssigkeiten, Zellen und Zellmembranen enthalten. Das Calcium in den Knochen und Zähnen verleiht diesen Festigkeit und dient als Reserve. Das restliche Calcium ist entscheidend für verschiedene Körperfunktionen wie die Muskelkontraktion, die Übertragung von Nervenimpulsen, die Erregungsleitung im Herzen, die Blutgerinnung, den Transport von Mineralstoffen, die Ausschüttung von Hormonen, die Bildung von Neurotransmittern und die Aktivierung von Enzymen. Während des Wachstums und der Entwicklung von Kindern ist Calcium besonders wichtig.
Calcium wird durch Parathormon (PTH) aus der Nebenschilddrüse, Calcitonin aus der Schilddrüse und Calcitriol (die aktive Form von Vitamin D) reguliert (siehe Abbildung 1). Diese Hormone tragen dazu bei, den Calcium-Spiegel im Blut stabil zu halten, was für viele Körperprozesse wichtig ist. Wenn der Calcium-Spiegel im Blut sinkt, erhöht PTH die Calcium-Rückresorption in den Nieren und stimuliert die Bildung von Calcitriol. PTH stimuliert auch die Knochenresorption, bei der Calcium und Phosphat in das Blut abgegeben werden. Calcitriol fördert gleichermaßen die Calcium-Resorption im Darm und die Calcium-Rückresorption in den Nieren und stimuliert die Freisetzung von Calcium aus den Knochen, um den Calcium-Spiegel im Blut zu erhöhen. Wenn der Calcium-Spiegel zu hoch wird, hemmt Calcitonin die PTH-Freisetzung und verringert die Calcium-Rückresorption in den Nieren und die Calcium-Absorption im Darm. Die Hauptfunktion von Calcitonin besteht jedoch darin, die Knochenresorption zu hemmen.
Das Gesamt-Calcium im Blut verteilt sich auf ionisiertes Calcium (45-50 %), an Proteine gebundenes Calcium (40-45 %) und Calcium in Form von Calciumphosphat, -carbonat und -oxalat (8-10 %).
Abbildung 1: Calcium-Homöostase
Die Absorption von Calcium erfolgt im Dünndarm und zu weniger als 10 % im Dickdarm. Wenn die Calcium-Zufuhr hoch ist, wird das Calcium über passive Diffusion aufgenommen.(1) Bei geringer Calcium-Zufuhr erfolgt die Calcium-Absorption hauptsächlich über den aktiven, calcitriolabhängigen Transport durch die Darmwand im Zwölffingerdarm, Jejunum und Dickdarm.(2-4) Während des Wachstums und während der Schwangerschaft und Stillzeit steigt die Calcium-Absorption aufgrund eines Anstiegs der Calcitriolkonzentration um 50-80 %. Die Aufnahme von Calcium wird außerdem durch seine vorliegende Form (Calcium muss in der ionisierten, freien Form vorliegen, damit es absorbiert werden kann) und die Verweildauer der Nahrung im Darm beeinflusst. Eine Ausnahme bildet aminosäurechelatisiertes Calcium wie z. B. Calciumbisglycinat, das über einen Peptidtransporter und nicht als freies Calcium aufgenommen wird.(4) Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Calcium-Bilanz in der Regel positiv, was zur Zunahme der Knochenmasse beiträgt. Bei Erwachsenen ist die Bilanz zumeist neutral, während ältere Menschen oft eine negative Calcium-Bilanz aufweisen, die zu einer Abnahme der Knochenmasse führt. Dieser Prozess kann durch Faktoren wie einen Östrogenmangel bei postmenopausalen Frauen beschleunigt werden. Östrogen schützt vor der PTH-mediierten Knochenresorption und spielt eine Rolle bei der Regulation der intestinalen Calcium-Resorption.(5,6)
Der tägliche Calcium-Bedarf ist nach Alter und Geschlecht verschieden (siehe Tabelle 1). Die Calcium-Empfehlungen zielen darauf ab, im Alter von 30 Jahren eine optimale Spitzenknochenmasse zu erreichen und den Knochenverlust im späteren Leben zu minimieren. Bestimmte Gruppen, so zum Beispiel ältere Menschen und Kinder im Wachstum, können von Calcium-Ergänzungspräparaten profitieren, um ihre benötigte Menge an Calcium zu erhalten.
In Deutschland hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) die empfohlene Menge an Calcium für jede Altersgruppe festgelegt (siehe Tabelle 1).(7,8) Anders als in den Niederlanden wird hier nicht zwischen Männern und Frauen unterschieden.
Tabelle 1:Empfohlene Tagesdosis Calcium aus Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln(7,8)
Andere Lebensmittel, die (relativ) viel Calcium enthalten, sind Samen (vor allem Sesamsamen), grünes Blattgemüse, Brokkoli, Feigen, Nüsse, Hülsenfrüchte und mit Calcium angereicherte Produkte wie Cerealien, Fruchtsäfte und Tofu. Im Durchschnitt werden 35 % des Calciums über die Nahrung aufgenommen. Die Bioverfügbarkeit von Calcium kann von einem Lebensmittel zum anderen variieren, da bestimmte Lebensmittelkomponenten die Calcium-Aufnahme hemmen. Phytinsäure, die vor allem in Getreide und Hülsenfrüchten vorkommt, und Oxalsäure, die u. a. in Spinat und Rhabarber enthalten ist, bilden mit Calcium unlösliche Komplexe und verhindern so die Aufnahme.(9) Vor allem bei Menschen, die sich vegan ernähren, stellt dies in der Praxis für den Calcium-Haushalt ein Problem dar. Vitamin D stimuliert die Calcium-Absorption im Darm.
Die durchschnittliche Calcium-Zufuhr beträgt in Deutschland 807 mg pro Tag bei Männern und 738 mg pro Tag bei Frauen.(10,11) Die wichtigsten Calcium-Quellen sind Milch(produkte) und Käse (40 %) und alkoholfreie Getränke (Wasser, Kaffee, Tee, Softdrinks) (25 %).(12) Daten aus der bundesweiten Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II) haben gezeigt, dass vor allem weibliche Jugendliche sowie Männer und Frauen im Alter von 65-80 Jahren nicht die täglich empfohlene Menge an Calcium zu sich nehmen. Ganze 74 % der Frauen zwischen 14 und 18 Jahren nehmen weniger als die empfohlene Menge Calcium zu sich. Bei Männern und Frauen zwischen 65 und 80 Jahren waren es 61 % bzw. 65 %.(13,14) Eine deutsche Kohortenstudie ergab, dass 2,1 % die vertretbare Obergrenze für Calcium durch die Einnahme calciumhaltiger Nahrungsergänzungsmittel überschritten.(15)
Bei Personen, die keine Milchprodukte zu sich nehmen (wie Veganer, Menschen mit Laktoseintoleranz oder Kuhmilchallergie), besteht ein erhöhtes Risiko für einen Calcium-Mangel. Weitere Risikofaktoren für einen Calcium-Mangel sind u. a. Vitamin-D-Mangel, Postmenopause, Bewegungsmangel (aufgrund einer verminderten Calcium-Aufnahme im Darm), die Einnahme von Antazida und Kortikosteroiden, Rauchen, Alkoholkonsum, entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen und eine erhöhte Calcium-Ausscheidung. Eine erhöhte Calcium-Ausscheidung wird bei hoher Aufnahme von Speisesalz, tierischem Eiweiß und Koffein sowie bei eingeschränkter Nierenfunktion beobachtet. Hoher Alkoholkonsum, die Einnahme bestimmter Medikamente und Magersucht (Anorexie) können einen erhöhten Calcium-Bedarf verursachen
Ein westliches Ernährungsmuster mit einem hohen Anteil an gesättigten Fetten und verarbeiteten Kohlenhydraten ist durch eine Unterversorgung mit Calcium und anderen essentiellen Mineralstoffen gekennzeichnet. Ein Calcium-Mangel führt zu einer Abnahme von Knochenqualität und Knochenmasse und damit zu einem erhöhten Risiko von Knochenbrüchen. Weitere Symptome eines Calcium-Mangels sind Karies, Wachstumsschmerzen, Muskelschmerzen, Müdigkeit, brüchige Nägel und eine verzögerte Blutgerinnung. Ein schwerer (akuter) Calcium-Mangel kann zu Muskelkrämpfen, Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheit und Vergesslichkeit führen. Eine niedrige Calcium-Aufnahme wird auch mit anderen Gesundheitsproblemen wie Schwangerschaftskomplikationen, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Es hat sich herausgestellt, dass eine erhöhte Calcium-Zufuhr die nachteiligen Auswirkungen verringert. Obwohl Calcium bereits allein schützend wirkt, zeigen mehrere Studien, dass Calcium in Kombination mit zusätzlichen Spurenelementen einen noch besseren Schutz liefert.(16)
Die Calcium-Bestimmung im Serum kann kein zuverlässiges Bild des Calcium-Status liefern, da dieser durch PTH und Calcitonin in engen Grenzen gehalten wird. Ein Calcium-Mangel lässt sich am besten anhand der Ernährung und über die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln feststellen. Eine negative Calcium-Bilanz kann nur durch eine Untersuchung des Skeletts festgestellt werden. Die Knochenmineraldichte (BMD) kann mit einer Knochendichtemessung (Dual-Energy X-ray Absorptiometry, abgekürzt DXA, früher auch DEXA) gemessen werden.
Osteoporose ist durch eine Abnahme der Knochenmasse und Veränderungen der Knochenstruktur gekennzeichnet, wodurch ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche entsteht. Die Prävention beginnt bereits in jungen Jahren durch eine ausreichende Versorgung mit Calcium und anderen wichtigen Nährstoffen. Eine höhere Spitzenknochenmasse um das 30. Lebensjahr herum kann dazu beitragen, einer Osteoporose im späteren Leben vorzubeugen. Über die ideale Calcium-Zufuhr für gesunde Knochen gibt es viele Diskussionen. Die Ergebnisse von Studien sind oft widersprüchlich. Einige Meta-Analysen, in denen die Ergebnisse mehrerer randomisierter Studien zusammengefasst wurden, kamen zu dem Schluss, dass eine erhöhte Zufuhr von Calcium und/oder Vitamin D nicht unbedingt zu einem geringeren Risiko von Knochenbrüchen führt.(17,18) Im Gegensatz dazu zeigten andere Studien, dass ein höherer Verzehr von Milchprodukten mit einem geringeren Risiko für Knochenbrüche assoziiert war.(19,20) Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2016 ergab, dass die Supplementierung mit Calcium und Vitamin D bei Personen ab 65 Jahren das Risiko von Knochenbrüchen um 15 % und das von Hüftfrakturen um 30 % reduziert.(21) Es ist unmöglich, die Auswirkungen einer erhöhten Calcium-Zufuhr auf das Risiko von Knochenbrüchen, Invalidität und Sterblichkeit isoliert zu analysieren. Die Optimierung des Calcium- und Vitamin-D-Status ist der beste Weg und bei Menschen mit einem erhöhten Risiko für Calcium- und/oder Vitamin-D-Mangel und Knochenbrüche besonders wichtig.
Eine Studie aus dem Jahr 2010 hat gezeigt, dass aus Rotalgen gewonnenes Calciumcarbonat die Proliferation und Mineralisierungsaktivität von Osteoblasten wirksamer stimulieren kann als Calciumcitrat und Calciumcarbonat aus Kalkstein oder Austernschalen. Die Aktivität der alkalischen Phosphatase (AP) verdoppelte sich.(22) AP ist ein Marker für die Knochenbildung. Wenn das Knochengewebe aktiv ist, wird mehr AP produziert. In einer Humanstudie gingen die Marker für den Knochenabbau bei 300 postmenopausalen Frauen nach einer 24-monatigen Einnahme von Calcium aus Rotalgen stärker zurück als bei der Einnahme eines Placebos.(23)
Die Behandlung der Arthrose (Osteoarthritis) richtet sich hauptsächlich auf die Schmerzlinderung, die Hemmung der Gelenkentzündung und die Verbesserung der Gelenkfunktion. Eine Studie, in der die Wirkung von Calciumcarbonat (mit 500 mg elementarem Calcium) mit Vitamin D3 (200 IE) auf Gelenkbeschwerden bei postmenopausalen Frauen untersucht wurde, zeigte keinerlei Effekt.(24) Studien mit Calcium aus Rotalgen, das neben Calcium auch Magnesium und andere essentielle Spurenelemente enthält, haben jedoch positive Auswirkungen auf die Gelenkgesundheit aufgezeigt. Bei Erwachsenen mit Kniearthrose führte eine 12-wöchige Supplementierung mit täglich 800 mg Calcium aus Rotalgen zu einem Rückgang der Schmerzempfindung, Gelenksteife und Bewegungseinschränkung. Außerdem konnte die Verwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAIDs) um mindestens 50 % reduziert werden.(25-27) Eine Studie aus dem Jahr 2020 ergab, dass Calcium aus Rotalgen in Kombination mit Kiefernrindenextrakt bei der Linderung von Schmerzen bei Arthrose (Osteoarthritis) wirksamer war als Glucosamin.(28) Calcium aus Rotalgen senkt außerdem auch die zirkulierenden Mengen entzündungsfördernder Proteine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und Interleukin-1β (IL-1β).(29-31) Tierversuche deuten auf eine Rolle von TNF-α in der frühen Entwicklungsphase der Arthrose (Osteoarthritis). Bei Frauen mit Arthrose (Osteoarthritis) war der TNF-α-Wert im Blut 6 Wochen nach Beginn der täglichen Einnahme von 800 mg Calcium aus Rotalgen um 24 % gesunken.(27)
Calcium kann über das Darmmikrobiom möglicherweise eine positive Wirkung auf das Körpergewicht und die Kontrolle des Blutzuckerspiegels haben. Das Wachstum von Laktobazillen im Dickdarm wird durch Calcium angeregt. Außerdem kann Calcium die Integrität und selektive Durchlässigkeit der Darmwand positiv beeinflussen.(32) Wie mehrere Studien zeigen, ist Calcium ein wichtiger Regulator der Barrierefunktion des Darms. In kultivierten menschlichen Dickdarm-Epithelzellen wird die Expression von Verankerungsproteinen, die am Zusammenhalt der Darmepithelzellen beteiligt sind, als Reaktion auf Calcium erhöht. Auch die Expression von Proteinen, die an der Bildung der Schleimschicht im Darm (Mucus) beteiligt sind, die ihrerseits für die Aufrechterhaltung der Homöostase und den Schutz des Darmepithels vor eindringenden Krankheitserregern, Verdauungsenzymen, Toxinen und Säuren wichtig ist, wird erhöht.(31,33,34) Darmbiopsate von 30 Probanden wurden untersucht, nachdem diese 90 Tage lang Calcium aus Rotalgen (800 mg), Calcium aus Kalkstein (800 mg) oder ein Placebo eingenommen hatten. In der Gruppe, die Calcium aus Rotalgen erhalten hatte, waren im Vergleich zur Placebogruppe große Unterschiede in der Proteinexpression zu beobachten. Auch in der Gruppe, die Calcium aus Kalkstein erhielt, wurden einige Unterschiede festgestellt, diese waren jedoch weit weniger ausgeprägt. Proteine, die an der Zelldifferenzierung, der Zelladhäsion* und der Regulation des Zellzyklus beteiligt sind, wurden in größerem Umfang exprimiert. Dagegen wurden Proteine, die in den Bereichen Zellproliferation und Wachstumsregulation, Energiestoffwechsel, Entzündung, Tumorinvasion und Metastasierung aktiv sind, weniger stark exprimiert.(35)
Calcium ist für die Aktivierung bestimmter Verdauungsenzyme wie z. B. der Lipase erforderlich.(36) Die Verdauung von Fettsäuren verläuft effizienter, wenn ausreichend Calcium vorhanden ist.(37)
Darmmikrobiom
In einer randomisierten Pilotstudie mit 30 gesunden Freiwilligen, die ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs aufwiesen, beeinflusste Calcium aus Rotalgen (800 mg/Tag über einen Zeitraum von 90 Tagen) die Vielfalt des Darmmikrobioms. Es wurde ein kleiner, aber signifikanter Rückgang der Gesamtkeimzahl festgestellt - was auf eine leichte antimikrobielle Wirkung hindeutet -, ohne dass die kurzkettigen Fettsäuren abnahmen. Auch eine Abnahme der Gallensäuren im Stuhl wurde beobachtet.(38) Was dies genau für das Darmmikrobiom bedeutet, ist noch unklar. In einer Tierstudie beobachteten Forscher eine signifikante Zunahme bei der Vielfalt der Darmbakterien und eine erhöhte Produktion von kurzkettigen Fettsäuren.(39)
Darmpolypen
Die meisten Polypen im Dickdarm sind gutartig und verursachen keine Probleme. Ein kleiner Prozentsatz kann jedoch Symptome wie Bauchschmerzen und ein verändertes Stuhlverhalten verursachen oder sich zu einem bösartigen Tumor entwickeln. Hinweise aus Tier- und Humanstudien deuten darauf hin, dass Calcium bei der Entwicklung von Polypen eine schützende Rolle spielen kann.(40-42) Es wird vermutet, dass Calcium an der Expression von Proteinen beteiligt ist, die für die Differenzierung von Darmepithelzellen wichtig sind.
*Siehe Erläuterung der Begriffe
Eine ausreichende Calcium-Zufuhr kann das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Fettleibigkeit und das Sterberisiko senken.(43,44) Eine 2016 durchgeführte Meta-Analyse von 33 klinischen Studien mit insgesamt 4733 Teilnehmern zeigte, dass eine erhöhte Calcium-Zufuhr zu einer Gewichtsreduktion führen kann.(45) Das Sterberisiko war bei einer mäßigen Calcium-Zufuhr (durch Nahrung oder Nahrungsergänzung) von 600-1200 mg pro Tag geringer.(46) Calcium hat außerdem eine positive Wirkung auf die Blutfettwerte. Eine Calcium-Supplementierung senkt den LDL-Cholesterinspiegel und erhöht das HDL-Cholesterin um kleine, aber signifikante Unterschiede zum Ausgangswert.(47) Bei postmenopausalen Frauen, die über einen langen Zeitraum (24 Monate) täglich 800 mg Calcium aus Rotalgen einnahmen, blieben der Gesamt- und der LDL-Cholesterinspiegel unverändert. In der Placebogruppe hingegen hatten sich diese Werte nach 24 Monaten über die Zielwerte erhöht (Gesamtwert >5,0 mmol/l [190 mg/dl] und LDL-Wert >3,0 mmol/l [116 mg/dl]).(48) Eine erhöhte Calcium-Zufuhr über die Ernährung und/oder Nahrungsergänzungsmittel kann auch den Blutdruck senken.(49,50)
Es gibt aber auch Bedenken, dass die Ergänzung mit Calcium das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, weil ein leicht erhöhter Calcium-Spiegel im Blut zu einer Verkalkung der Blutgefäße führen kann. In einigen wenigen Studien wurde ein Zusammenhang mit dem kardiovaskulären Risiko festgestellt, insbesondere bei einer Calcium-Supplementierung von 1000 mg pro Tag und mehr.(51,52) In anderen Studien wurde dagegen kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko festgestellt.(53,54) Insgesamt gibt es keine überzeugenden Beweise dafür, dass eine Calcium-Supplementierung (bis zu 1200 mg täglich), ob in Kombination mit Vitamin D oder nicht, das Risiko für koronare Erkrankungen und die Sterblichkeit erhöht.(55) Dennoch wird empfohlen, die Einnahme von Calcium und Vitamin D durch Vitamin K2 zu ergänzen, das dafür sorgt, dass sich das Calcium im Knochen- und Zahngewebe ablagert und nicht in Weichteilgeweben wie den Blutgefäßen.
Calcium-Ergänzungspräparate gibt es in Form verschiedener Calcium-Salze, deren Aufnahme von Verbindung zu Verbindung unterschiedlich sein kann. Calciumcarbonat und Calciumcitrat sind die am häufigsten verwendeten Calcium-Formen. Einige andere verfügbare Calcium-Ergänzungsmittel sind Calciumphosphat, Calciumgluconat, Calciumfumarat, Calciummalat, Mischsalze wie Calciumcitratmalat und mit Aminosäuren chelatisiertes Calcium wie Calciumbisglycinat. Aminosäurechelate sind anders als Calcium-Salze für ihre Absorption nicht vom Säuregehalt des Magens abhängig und daher bei Menschen, die zu wenig Magensäure produzieren, vorzuziehen. Calciumcarbonat enthält im Vergleich zu anderen Calcium-Salzen die höchste Menge an elementarem Calcium und ist außerdem die preisgünstigste Calcium-Quelle auf dem Markt.(2) Allerdings ist Calciumcarbonat in der Regel eine weniger gut absorbierbare Form.
Die calciumreiche Rotalge Lithothamnion sp. besteht zu etwa 32 % ihres Trockengewichts aus Calcium (Carbonat). Während ihres Lebens speichert die Rotalge Calcium aus dem Meerwasser in ihren Zellwänden, und zwar nicht nur in Form von Calcit (Kalkstein), sondern auch als Aragonit, das eine polymorphe* Form des Calcits ist. Neben Calcium enthält das Rotalgenpräparat auch Magnesium (ca. 2,4 %) und in Spurenmengen 72 weitere essentielle Mineralstoffe wie Selen, Zink, Mangan, Molybdän, Kupfer und Chrom. Das Calcium in einem Rotalgenpräparat ist aufgrund seiner mikroporösen Struktur, die einer Bienenwabe ähnelt, sehr gut absorbierbar. Dies geht unter anderem aus Vergleichsstudien hervor, die zu dem Ergebnis kamen, dass eine Einzeldosis von 720 mg Calcium aus Rotalgen im Vergleich zur gleichen Dosis Standard-Calciumcarbonat die Calcium-Ausscheidung über den Urin signifikant erhöhte und die PTH-Konzentration im Serum signifikant senkte.(56)
*Siehe Erläuterung der Begriffe
Die Aufnahme und Wirkungsweise von Calcium wird von verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen, den sogenannten Calcium-Synergisten, unterstützt:
Vitamin D erhöht die Calcium-Absorption im Darm und die Calcium-Freisetzung aus den Knochen und reduziert die Ausscheidung von Calcium über die Nieren. Vitamin D hält auch den PTH-Spiegel innerhalb der normalen Grenzen. Bei Vitamin-D-Mangel steigt der PTH-Spiegel an. Dies führt zu einer verstärkten Knochenresorption und Ablagerung von Calcium in Blutgefäßen, Lunge, Nieren, Milz und Knorpeln.
Vitamin K2 sorgt für die richtige Verteilung von Calcium im Körper, verhindert bei einem Anstieg des Calcium-Spiegels im Blut die Ablagerung von Calcium in Weichteilgeweben wie den Blutgefäßen und fördert die Knochenmineralisierung.
Magnesium ist der physiologische Calcium-Antagonist u. a. in der Skelettmuskulatur, im Herz und im glatten Muskelgewebe. Es ist wichtig für den Calcium-Stoffwechsel und den Calcium-Transport. Weiterhin spielt es eine Rolle bei der Funktion der Nebenschilddrüsen, der PTH-Ausschüttung und der Knochenbildung. Und es ist wichtig für die Umwandlung von Vitamin D in Calcitriol.
Vitamin C ist für die Kollagenproduktion unerlässlich und trägt dazu bei, den Knochenabbau durch Osteoklasten zu verringern.
Silicium begünstigt die Kollagensynthese und die Knochenmineralisierung.
Andere Mineralstoffe wie Bor, Zink, Kupfer Mangan, Kalium und Eisen sind für die Knochengesundheit ebenfalls bedeutsam.
Die allgemeine Erhaltungsdosis von Calcium beträgt 200-400 mg/Tag. Zu therapeutischen Zwecken kann eine Tagesdosis von 800 mg eingenommen werden. Die meisten Humanstudien wurden mit 800 mg Calcium pro Tag durchgeführt. Die Menge an Calcium, die über die Nahrung aufgenommen wird, muss natürlich berücksichtigt werden, und diese hängt weitgehend davon ab, wie viel Milchprodukte und calciumreiches Gemüse eine Person zu sich nimmt. Während der Schwangerschaft wird empfohlen, ab der 20. Schwangerschaftswoche 1000 mg Calcium pro Tag zu ergänzen, wenn die Calcium-Zufuhr über die Nahrung unzureichend ist. Für eine optimale Aufnahme wird Calcium am besten über den Tag verteilt mit maximal 500 mg pro Dosis eingenommen.
In Humanstudien wurde Calcium aus Rotalgen gut vertragen. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf und leichte Nebenwirkungen waren genauso häufig wie bei anderen Calcium-Präparaten und Placebo. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Blähungen, Verstopfung und Übelkeit. Eine randomisierte Studie mit 300 postmenopausalen Frauen zur Wirkung von Calcium aus Rotalgen (800 mg/Tag) auf die Knochenmineraldichte zeigte, dass diese Intervention keine negativen Auswirkungen auf die Serumlipidwerte und den Blutdruck hatte. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 4 Jahren gab es im Vergleich zu Placebo keinen Unterschied in der Anzahl der Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebsfälle oder Knochenbrüche.(48) Eine Längsschnittstudie* fand ebenfalls keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen, die 4 Jahre lang zusätzliches Calcium (720 mg/Tag) einnahmen.(57)
In einer doppelblinden randomisierten Pilotstudie wurden nach der Einnahme von Calcium im Vergleich zu Placebo keine Veränderungen der Nieren- und Leberwerte sowie der Stoffwechselmarker festgestellt.(38) In einer an Ratten durchgeführten Studie waren Dosen von bis zu 200 mg/kg Körpergewicht nicht toxisch und verursachten keine abnormen Leberwerte.(58,59)
Die tolerierbare Höchstaufnahmemenge von Calcium aus Nahrung und Nahrungsergänzungsmitteln beträgt 2500 mg/Tag.(60) Dosen über diesem Grenzwert können das Risiko von Nierensteinen, Hyperkalzämie und einer Verkalkung von Nieren und Blutgefäßen erhöhen.
Kontraindikationen für eine Calcium-Supplementierung sind Hyperkalzämie und schwere Hyperkalzurie (erhöhte Ausscheidung von Calcium über den Urin), eingeschränkte Nierenfunktion, Sarkoidose* und ein zu hoher Vitamin-D-Spiegel.
Seien Sie bei eingeschränkter Nierenfunktion mit der zusätzlichen Einnahme von Calcium vorsichtig.
*Siehe Erläuterung der Begriffe
Verschiedene Arzneimittel erhöhen den Calcium-Bedarf, so z. B. Antikonvulsiva (Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin), Schleifendiuretika, Antazida, Immunsuppressiva und Corticosteroide. Der chronische Gebrauch von Abführmitteln kann den Calcium- und Vitamin-D-Bedarf erhöhen.
Eine Erhöhung der Kaliumzufuhr bei gleichzeitiger Senkung der Natriumzufuhr reduziert die Calcium-Ausscheidung, insbesondere bei postmenopausalen Frauen. Natrium erhöht die Calcium-Ausscheidung im Urin.
Calcium hemmt die Aufnahme von Blei und erhöht die Aufnahme von Aluminium.
Calcium kann die Eisenresorption verringern. Nehmen Sie diese Mineralstoffe möglichst nicht zusammen ein.
Verwenden Sie kein Calcium-Ergänzungsmittel in Kombination mit Calcipotriol (einem synthetischen Vitamin-D-Derivat); dadurch steigt das Hyperkalzämie-Risiko.
Thiaziddiuretika verringern die Calcium-Ausscheidung über die Nieren; seien Sie mit einer Calcium-Supplementierung vorsichtig.
Nehmen Sie Calcium nicht gleichzeitig mit Betablockern, Levothyroxin, Bisphosphonaten, Eltrombopag, bestimmten Antibiotika wie Tetrazyklinen, Ciprofloxacin, Norfloxacin und Fluorchinolonen ein; Calcium kann die Aufnahme dieser Medikamente verringern.
Längsschnittstudie: Studie, bei der Probanden mehrfach untersucht werden, um Veränderungen im Zeitverlauf messen zu können.
Polymorphe Formen: zwei (oder mehr) Mineralien mit genau der gleichen chemischen Zusammen
setzung, aber unterschiedlichen Kristallformen.
Sarkoidose: seltene Erkrankung des Immunsystems, bei der sich Entzündungen in Organen und Geweben wie Lunge, Haut, Augen und Gelenken entwickeln.
Zelladhäsion: Anhaftung einer Zelle an einer Oberfläche, extrazellulären Matrix oder einer anderen Zelle durch Zelladhäsionsmoleküle wie Cadherine und Integrine.